KRISENZEITEN: Experten raten

Nachhaltig und genossenschaftlich

150 Jahre PSD Bank: Eine Wertegemeinschaft geht mit (erneuerbarer) Energie in die Zukunft

Im Gespräch mit der Braunschweiger Zeitung erläutern Carsten Graf, Vorstandssprecher der PSD Bank Braunschweig eG, und Prokuristin Annette Wessel, warum gerade in Krisenzeiten individuelle Lösungen gefragt sind.

Die Welt erlebt gerade Zeiten der Veränderung. Im Gespräch erläutern Carsten Graf, Vorstandssprecher und Annette Wessel, Prokuristin der PSD Bank Braunschweig eG, wie Kunden darauf reagieren können. Die Zeiten von Standardlösungen und Einmalanlagen sind aus Sicht der Experten vorbei.

Stichwort Zinswende: Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins nochmals um 75 % Basispunkte auf insgesamt 1,25 Prozent erhöht. Was ändert sich dadurch für Sparer und Kapitalanleger? Lohnen sich Tages- und Festgeldkonten jetzt wieder?

Carsten Graf: Das Entscheidende aus der finanzwirtschaftlichen Sicht ist, dass endlich das lange anhaltende, künstlich niedrig gehaltene Zinsniveau durch den Schritt der Europäischen Zentralbank verändert wurde. Durch die Verschuldungskonstellation in Europa haben wir ein politisch gewolltes niedriges Zinsniveau gehabt. Die Schritte jetzt hätten sicherlich schon lange erfolgen können und haben jetzt zu dieser Zinswende geführt. Wenn sich der Leitzins erhöht, gibt es in der Regel auch mehr Zinsen auf Erspartes. Auf den ersten Blick klingt das gut, beim genaueren Betrachten ist es aber nicht wirklich attraktiv. Zeitgleich mit der Zinswende haben wir die politische Konstellation des Angriffskrieges auf die Ukraine, die damit verbundene Energieknappheit und die enorm steigenden Energiepreise, aber auch die historisch hohe Inflationsrate. In Summe bedeutet das für den sogenannten Realzins nach wie vor ein dickes Minus. Statt durch höhere Zinsen zu wachsen, schrumpft die Geldsumme durch die hohe Inflationsrate zusammen. Große Geldmengen mit der Hoffnung auf hohe Rendite, auf einem Tages- oder Festgeldkonto anzulegen, lohnt sich deshalb nicht. Das hat es aber in den vergangenen 20 Jahren ehrlicherweise auch nicht. Rein wirtschaftlich betrachtet, und das hört sich jetzt provokant an, ist aber gar nicht so gemeint, war die klassische Geldanlage, um Erträge zu generieren, aufgrund des sinkenden Zinsniveaus seit über 30 Jahren nicht rentabel.

Was empfehlen Sie stattdessen?

Carsten Graf: Da bleibt die grundsätzliche Regelung, strukturierte Anlagen zu wählen. Wer sein Geld schon immer strukturiert angelegt hat, dem haben Negativzinsen und wirtschaftlich negative Entwicklungen nur bedingt für einen Teil seiner Geldanlagen etwas ausgemacht. Und auf der anderen Seite sollte man in inflationsgeschützte Anlageformen investieren. Dazu zählen Immobilien als Sachwerte und Substanzwerte. Sachwerte als Direktanlage oder als offener Immobilienfonds. Substanzwerte in Form von Aktien oder Aktienfonds.

Inwieweit spielt die augenblicklich hohe Inflationsrate eine Rolle bei der Bewertung von Anlageformen? Lohnt es sich trotz steigender Kreditzinsen, in Immobilien zu investieren?

Carsten Graf: Immobilien sind immer durch alle Krisen gekommen, so sie denn nicht durch Kriege zerstört wurden. Wer in Abwertungsszenarien, Inflations- und Nachkriegszeiten noch Immobilien hatte, der hatte immer noch etwas in der Hand. Man spricht in diesem Kontext gern vom Betongold. Ja, jetzt sind die Zinsen merklich angestiegen. Vor einem Jahr lagen wir noch unter einem Prozent und heute liegen wir über drei Prozent. Aber wir kommen aus Zeiten, in denen der durchschnittliche Darlehenszins bei 4,5 Prozent lag. Wir werden nun also nicht mehr so schnell die Situation haben, dass man sich ein Haus einfach ohne großes Eigenkapital leisten kann. Aber was bedeutet das für uns als PSD Bank in unserem Handeln und in der Beratung? Wir beraten jetzt weiterhin Investoren, die privaten Häuslebauer, auch weiterhin den Kunden, der modernisieren möchte. Und Modernisierung ist insbesondere im Hinblick auf das Thema Energie enorm wichtig. Und es umfasst deutlich mehr als Photovoltaik und Energieerzeugung. Es geht auch um das Thema der Immobiliensanierung. Und da geht es nicht nur um die energetische Sanierung, sondern darum, sein Haus so gestalten, um auch zu Hause gepflegt werden zu können, falls das notwendig werden sollte. Und wir müssen bezahlbaren Wohnraum schaffen, den wir weiterhin durch unsere Kreditvergabe finanzieren. Und ein Thema hat immer Bestand und ist im Hinblick auf Ihre Frage ein entscheidender Aspekt: Die eigene Immobilie ist und bleibt ein Traum der Menschen. Und aufgrund der aktuellen Zinsentwicklungen ist jetzt eins entscheidend und jetzt zitiere ich unseren Verbundpartner, die Bausparkasse Schwäbisch Hall: „Jeder braucht einen Bausparvertrag, damit er einen hat, wenn er einen braucht.“

Tatsächlich? Der gute alte Bausparvertrag kommt wieder?

Carsten Graf: Ja, aktuell können Sie sich mit einem Bausparvertrag unseres Verbundpartners Schwäbisch Hall günstige Darlehenszinsen für die nächsten Jahrzehnte sichern! Dass zukünftige Generationen noch einmal hohe Zinsen zahlen, ist also absolut vermeidbar. Und für alle, die in den letzten vier, fünf Jahren ihre Immobilien finanziert haben: Auch Sie können jetzt Zinssicherung für die Zukunft betreiben. Wenn Sie jetzt nicht vorsorgen, werden Sie auf ein höheres Zinsniveau steigen und somit einen höheren Aufwand für Ihre Immobilie haben. Dafür brauche ich die Zinssicherung über einen Bausparvertrag. Denn der einmal vertraglich vereinbarte Darlehenszins ist sicher, bis das Bauspardarlehen abgerufen wird. Annette Wessel: Die Aufgabe unserer Berater besteht aktuell darin, die Kunden aufzuklären und die Möglichkeiten, sich vor diesen Szenarien zu schützen, aufzuzeigen und individuelle Lösungen mit den Kunden zu erarbeiten.

Stichwort Nachhaltigkeit: Rendite, Risiko und Liquidität definierten bislang das klassische Dreieck der Anlagekriterien, könnte es Sinn machen, hier noch ein viertes Kriterium ins Spiel zu bringen?

Carsten Graf: Das Thema Nachhaltigkeit ist aus unserer Sicht nicht das vierte Kriterium, sondern umspannt alle Kriterien wie ein Schutzschirm. Nicht nur das Thema Nachhaltigkeit auf der ökologischen Seite. Jede Anlageentscheidung, jede Finanzierungsentscheidung, jede Versicherungsentscheidung, jede Entscheidung zur Absicherung des Lebens. Oder der Rente. Oder des Wohlstandes. Jede dieser Entscheidungen ist unter dem Nachhaltigkeitsfaktor zu treffen. Damit ist es nicht nur das Thema auf der Nachhaltigkeitsseite, sondern auch von ESG.

ESG?

Carsten Graf: … steht für Environment – Umwelt, Social- Gesundheitsschutz und gesellschaftliches Engagement sowie Governance, also nachhaltige Unternehmensführung. Die PSD Bank Braunschweig eG ist Teilnehmer an einem bundesweiten Nachhaltigkeitsprojekt der Genossenschaftsbanken, um in Zukunft die Anforderungen der ESG-Kriterien zu erfüllen. Das hat für uns im Hinblick auf unsere Kunden und Mitglieder und als Zukunftsgeber für unsere Mitarbeitenden höchste Priorität. Alle Mitarbeitenden haben bereits an einem Nachhaltigkeitsseminar teilgenommen. Zunächst, um ein gemeinsames Verständnis zu erreichen und die essenziellen Grundlagen zu vermitteln. Damit wollen wir unseren Kunden und unseren Mitarbeitenden Orientierung und Perspektive geben. Deshalb haben wir ein großes Förderpaket für unsere Mitarbeitenden implementiert. Wenn unsere Mitarbeitenden ein E-Bike kaufen, erhalten sie einen Zuschuss, wenn sie ein E-Auto kaufen, erhalten sie einen Zuschuss, wenn sie eine PV-Anlage kaufen oder klassisch zur Miete wohnen, aber Ökostrom aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen nutzen, beteiligen wir uns an den Kosten. Nachhaltigkeit und Energie, das sind für uns kulturelle Themen.

Annette Wessel: Das möchte ich gerne ergänzen: Seit August ist die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage in der Anlageberatung verpflichtend. Wir bieten unseren Kunden und Mitgliedern die Chance, durch Investitionen in nachhaltige Anlageprodukte auch in die Zukunft zu investieren. Unser Portfolio zahlt darauf ein, die Herausforderungen, die sich ökonomisch und ökologisch aus der aktuellen Situation ergeben, gemeinschaftlich anzugehen. Auch nachhaltige Werte wie ‚Gemeinschaft‘ finden sich in der genossenschaftlichen Übersetzung in der Mitgliedschaft wieder.

Carsten Graf: Die beste Chance ist, selbst auch Mitglied zu werden. Wer mit uns als Genossenschaftsbank als Mitglied enger zusammenarbeitet, hat nicht nur attraktive Dividende, sondern hat auch viele Vorteile aus dem Mitgliederbonusprogramm. Wir arbeiten zum Wohl unserer Mitglieder. Wir sind keine Aktiengesellschaft, unser Ziel ist nicht die Gewinnmaximierung. In Zeiten der Krisen ist die Mitgliedschaft immer ein stabilisierender Faktor gewesen.

Die Welt im Krisenmodus, welche zukunftsweisende Antwort kann gerade die PSD Bank als Genossenschaftsbank geben?

Annette Wessel: Ich möchte ‚Antwort‘ gern durch Orientierung ersetzen. Was vor kurzem noch undenkbar war, ist heute Realität. Noch mitten in der Corona-Pandemie herrscht Krieg in Europa. Die Folgen sind tiefe Einschnitte in unsere Wohlstandsgesellschaft. Lieferengpässe, Energiekrise, Existenzängste. Unsere Berater spüren das tagtäglich in den Kundengesprächen. Die PSD Bank Braunschweig kann die momentane Situation nicht ändern. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, unseren Kunden und Mitgliedern wieder Perspektiven aufzuzeigen. Unser Markenclaim „Wir sehen nicht nur grün aus.“ ist ein Leistungsversprechen – auf unterschiedlichen Ebenen: Durch die Kooperation mit einem PV-Anlagenhersteller tragen wir dazu bei, das Energieproblem für unsere Kunden zu lösen und im Komplettpaket für die Finanzierung und Absicherung anzubieten. In der jetzigen Situation ist es unsere Aufgabe, die Unsicherheit durch Aufklärung zu reduzieren, unseren Kunden und Mitgliedern Orientierung zu geben und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Wir feiern dieses Jahr unser 150-jähriges Bestehen. Das sind 150 Jahre Expertise. Wir haben uns intensiv mit dem Geschehen auseinandergesetzt und mit unseren Verbundpartnern Strategien erarbeitet. Auch in Krisenzeiten muss sich Beratung am aktuellen Geschehen orientieren. Wir kennen Märkte, unterschiedliche Entwicklungen und haben die Historie im Blick. Unsere Experten geben keine pauschalen Handlungsempfehlungen, sondern analysieren immer die persönliche Situation. Wir befinden uns in einem hochemotionalen Umfeld. Umso wichtiger ist es, die historische Entwicklung aufzuzeigen und eine Einordnung des aktuellen Geschehens zu geben. Wichtigste Botschaft ist, keine voreiligen Entschlüsse zu treffen, die ggf. nachteilig sein können. Und: Die Weltwirtschaft wird langfristig wieder wachsen, deshalb kommt man an Aktien auch in Zukunft nicht vorbei. Wer in der jetzigen hochvolatilen Phase monatlich investiert, profitiert von günstigen Einstiegskursen und vom Cross- Avarage-Effekt. In dieser ‚Zeitenwende‘ gehen wir aktiv in den Dialog mit unseren Kunden und Mitgliedern. Schulterschluss und Gemeinschaft sind Teil unserer DNA und unser Antrieb.

Carsten Graf: In Krisen stecken auch immer Chancen zur Erneuerung. Und die Chance aus so einem Gespräch auch neue Erkenntnisse zu gewinnen.

FOTO: MARION KORTH