Start-up aus Braunschweig recycelt Silizium aus Solaranlagen

Mit einem einzigartigen Verfahren retten die Gründer von Circular Silicon den wertvollen Rohstoff aus den PV-Anlagen. Das Potenzial ist enorm.

(Bild: Peter Sierigk)

In Braunschweig gehören sie längst zum Stadtbild: Photovoltaik-Anlagen, die auf Hausdächern, auf den Feldern oder sogar auf Balkonen die Energie der Sonne nutzbar machen. Doch auch wenn Solaranlagen als wichtiger Baustein eines umweltfreundlichen Energiemix gelten: Sie anzufertigen erfordert Rohstoffe. Besonders kostbar ist dabei das in den Panels verbaute Halbmetall Silizium. Ältere PV-Module gehen oft nach 20 Jahren kaputt, andere werden bereits vor dem Defekt durch neuere Modelle ausgetauscht, die effizienter Strom produzieren. Die Folge: Immer mehr Elektroschrott, der recycelt werden muss. Doch wenn es ans Recycling geht, können mittlerweile zwar etwa der Aluminiumrahmen oder das
Glas der PV-Anlagen recycelt werden, ausgerechnet Silizium jedoch meist nicht.

 

Ein Braunschweiger Start-up ist in diesem Jahr an den Start gegangen, um das zu ändern: Bei Circular Silicon dreht sich alles darum, das Silizium aus PV-Schrott zu recyceln. Als eines der ersten Unternehmen in Europa setzt das Start-up dazu ein mechanisches Verfahren ein. Der Bedarf ist enorm: Laut dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme landen jährlich zehntausend Tonnen Silizium aus alten PV-Modulen auf dem Recyclingmarkt. Ab 2029 rechnet das Institut gar mit hunderttausend Tonnen jährlich.


Zwei der Unternehmensgründer treffen wir am Unternehmensstandort in der Friedrich-Seele-Straße: Julian Pudack (32) und Lars Krüger (27) sind ehemalige TU-Studenten. Beide schrieben ihre Masterarbeit für das Unternehmen JPM Silicon, quasi das Mutterunternehmen von Circular Silicon, das die Forschungsbasis für das im März gegründete Start-up liefert.

 

„Beim Recycling geht es letztlich um Reinheit“, sagt Pudak, Wirtschaftsingenieur und für das operative Geschäft zuständig. Er zeigt uns ein Becherglas mit weißgrauem Pulver. Es handelt sich um fein zerschredderte Solarpanels, die sie von einem Zulieferer, einem der größten PV-Recyclingunternehmen Deutschlands, bekommen. Das darin enthaltene Silizium gilt es von anderen Stoffen wie Kunststoff zu befreien. Denn je reiner das Silizium aus dem Prozess hervorgeht, desto mehr Anwendungsbereiche gibt es für den Stoff in der Industrie. Mit der von ihnen gebauten Anlage – noch handelt es sich um einen Prototyp – kann Circular Silicon bereits zu 98,5 Prozent reines Siliziumpulver separieren.


Abnehmer für Silizium mit diesem Reinheitsgrad ist die Aluminiumindustrie. „Es wird genutzt, um Legierungen zu schaffen, die das Aluminium weicher machen. Zum Beispiel für Automobilkarossen, Träger oder Dosen“, erklärt Lars Krüger. Er ist Umweltingenieur und für die technische Leitung im Unternehmen verantwortlich. Die beiden führen uns durch die Produktionshalle. Wenn die Produktion erst einmal startet, kann das Unternehmen mit ihrer ersten Anlage 100 Kilo PV-Schrott in einer Stunde zu 10 bis 30 Kilogramm Silizium verarbeiten. In großen Säcken gelangt der Schrott dabei in die Anlage, wird unter anderem vorher erhitzt, damit es sich leichter verarbeiten lässt. Wie das anschließende mechanische
Verfahren aussieht, um das Silizium zu separieren, soll Betriebsgeheimnis bleiben. Nur so viel: „Wir machen uns die physikalischen Merkmale der unterschiedlichen Stoffe zunutze, um sie voneinander zu trennen“, so Krüger. Die genaue Zusammensetzung der meist mehr als 20 Jahre alten PV-Panels zu recherchieren, grenze fast schon an detektivische Arbeit, sagt er.


In Braunschweig sieht Krüger einen vorteilhaften Standort. „Hier gibt es viele motivierte Studentinnen und Studenten an der TU, die Lust haben, praktisch zu arbeiten.“ Seinen Masterstudiengang nachhaltige Energietechnik nennt er als Beispiel.

 

Braunschweiger Start-up erhält 400.000 Euro

Damit die Produktion richtig starten kann, steht dem Unternehmen noch eine Expedition durch den Behördendschungel bevor: Es braucht eine Baugenehmigung, Genehmigungen für die Abfallverarbeitung und vieles mehr. Dabei wären die technischen und finanziellen Weichen für eine industrielle Produktion bereits gestellt: Gerade hat das Unternehmen eine Beteiligung von 400.000 Euro durch die Braunschweiger PSD Braunschweig Verwaltungs-GmbH erhalten. Mit dem Geld will es unter anderem die Anlage erweitern, damit das recycelte Siliziumpulver in Pellets gepresst werden kann. Denn in Pulverform kann es in der Industrie nicht verarbeitet werden.

 

Doch das soll nur der Anfang sein: Pudak und Krüger sind bereits auf der Suche nach neuen Investoren für einen weiteren Ausbau der Anlage und noch mehr Forschung. Denn damit das recycelte Silizium im Sinne der Kreislaufwirtschaft direkt wieder in PV-Anlagen verbaut werden kann, muss es noch höhere Ansprüche erfüllen. „Dafür bräuchte man Silizium von 6N-Reinheit“, sagt Pudak. 6N steht für sechs Neunen hinter dem Komma, also Silizium mit 99,999999-prozentiger Reinheit. In der Forschung sei es bereits gelungen, dieses hochreine Silizium zu recyceln. „Am Ende geht es bei uns aber immer darum, das, was im Labor möglich ist, auch auf industrielle Maßstäbe zu übertragen“, sagt Krüger.

 

(Ein Beitrag der Funken Medien Gruppe)