Die PSD Bank Braunschweig eG führt zum 1. September eine 4-Tage-Woche für ihre Mitarbeitenden ein. Die drei Standorte in Braunschweig, Magdeburg und Halle an der Saale bleiben zukünftig freitags für persönliches Banking geschlossen. Warum sich die Bank für dieses Modell entschieden hat und wie es im Alltag gelebt werden soll, darüber sprach Chefredakteurin Kerstin Loehr mit Carsten Graf, Vorstandssprecher der PSD Bank Braunschweig eG.
Lieber Herr Graf, am 1. September geht es los mit der 4-Tage-Woche bei Ihnen im Unternehmen. Blicken wir zunächst zurück: Wann und wie ist die Idee entstanden, dass das Modell für Sie als Bank in Frage kommt?
Nach Impulsen in unserer Führungskräfterunde haben wir Anfang dieses Jahres das Projekt ins Leben gerufen. Und zwar aus dem Grundgedanken heraus, dass sich die Gesellschaft verändert – auch die Finanzdienstleistungsbranche und vor allem die Zusammensetzung der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte. Studien aus England zeigen darüber hinaus, dass Effizienz, Zufriedenheit und Gesundheit von Mitarbeitenden in einer 4-Tage-Woche steigen. In Frankreich und Spanien gibt es sogar Subventionen für mittelständische Unternehmen, die dieses Thema umsetzen. Wir waren uns von Anfang jedoch auch im Klaren, dass das kein Modell für alle Branchen ist, wobei wir als beratende Direktbank in der Digitalisierung schon sehr weit sind. Ganz wichtig als Botschaft ist mir an dieser Stelle: Wir gehen das Projekt aus der wirtschaftlichen Stärke heraus an. Die Veränderungen bedeuten keinen Arbeitsplatzabbau. Wir haben nicht weniger Arbeit, wir haben veränderte Arbeit, wir wollen uns noch stärker auf den Kunden konzentrieren, von Montag bis Donnerstag und das mit möglichst viel Personal. Und wir sehen die 4-Tage-Woche auch ein Stück weit als unseren Beitrag zur Energiewende: Es ist ein Tag weniger, an dem wir hier den ganzen Betrieb aufrechterhalten mit Strom, Wasser, IT-Kosten etc. – und die Mitarbeitenden fahren nicht ins Büro.
Was ändert sich für die Kunden?
Unsere Bank ist freitags künftig für 4 Stunden nicht mehr geöffnet. Kundinnen und Kunden haben aber weiter die Möglichkeit, telefonisch das Kundenservicecenter zu erreichen, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, zwischen 6 und 22 Uhr und online rund um die Uhr. Der Freitag bis Mittag war in der Vergangenheit nie der hochfrequentierte Kundentag und auch nicht der mit den meisten Beratungsterminen. Unser SB-Foyer bleibt selbstverständlich weiterhin zugängig.
Verändert sich mit der 4-Tage-Woche die Arbeitszeit der Mitarbeitenden?
Tarifvertraglich bleiben die 39 Stunden Arbeitszeit pro Woche, wir vereinbaren aber: Du musst nur 35 Stunden leisten. Das ist die Besonderheit, und das heißt, alle arbeiten jetzt 8:45 Stunden zwischen 6 und 22 Uhr an vier Tagen statt bisher 7:48 Stunden an fünf Tagen. Für die Teilzeitkräfte gilt das in derselben Relation. Die Kehrseite der Medaille gehört natürlich auch erwähnt: Es kann nicht jemand sagen, er möchte dienstags frei haben – der freie Tag ist der Freitag. Auch ein reines Gleitzeitmodell funktioniert nicht mehr so richtig, denn bei maximal arbeitsrechtlich erlaubten 10 Stunden bleiben in dem neuen Modell nur 1:15 Stunden Mehrarbeit pro Tag. Und die sind in der gleichen Woche wieder abzuknapsen. Also defacto eine Gehaltserhöhung um über 10%.
Bleibt mobiles Arbeiten weiterhin möglich?
Ja, unbedingt. Zwei Tage können die Mitarbeitenden mobil arbeiten, zwei Tage in der Bank, dann haben sie drei Tage frei. 95 Prozent nutzen bei uns mittlerweile das mobile Arbeiten, hybride Meetings sind für uns einfach Realität. Wir sind davon überzeugt, dass wir insgesamt mit der 4-Tage-Woche und mobilem Arbeiten eine Steigerung der Arbeitgeberqualität erleben. Und spüren das auch schon.
Wie spüren Sie das?
Wir hatten wie viele Unternehmen einige vakante Stellen. Die haben wir mittlerweile besetzt. Die Anzahl der Bewerbungen hat sich massiv erhöht. Offensichtlich haben die zehnprozentige Erhöhung des Gehaltes – wir gehen ja von 39 Stunden auf 35 Stunden bei vollem Gehaltsausgleich runter – und damit eine verbesserte Work-Life-Balance Wirkung gezeigt. Damit ist ja eine ganz andere familiäre und Freizeitplanung möglich. Mitarbeitende können jetzt freitags das machen, was sie sonst samstags gemacht haben und haben dann wirklich das Wochenende frei. Gerade die jüngeren Generationen reagieren darauf sehr positiv, einige Bewerbende haben gesagt, dass sie sich wegen unserer flexiblen Rahmenbedingungen letztlich für uns als Arbeitgeber entschieden hätten. Und noch etwas: Wir wollen damit auch einen Impuls geben – für das Ehrenamt.
Impuls für das Ehrenamt? Das klingt spannend...
Wir erleben doch derzeit, dass sich immer weniger Menschen für das Ehrenamt engagieren. Wir möchten unseren Mitarbeitenden die zeitliche Chance geben, sich zu engagieren – und sei es eben nur ein Freitag, an dem sie jetzt zumindest keine beruflichen Verpflichtungen haben.
Wie hat Ihre Arbeitnehmer-Vertretung auf die Idee einer 4-Tage-Woche reagiert?
Unsere Arbeitnehmer-Vertretung war von Anfang dafür und hat uns intensiv unterstützt. Sie hat auch die wenigen Kritiker mitgenommen und gesagt: Probiert es doch erstmal aus. Denn man darf eins nicht unterschätzen: Es gibt auch Menschen, für die ist das Wochenende schon jetzt lang, wenn sie nicht arbeiten können. Und nun ist es noch ein Tag mehr. Das war im Übrigen auch einer der Gründe, dass wir das Thema Ehrenamt mit in die Argumentation genommen haben.
Wo sehen Sie in der jetzt kommenden Umsetzungsphase die größten Herausforderungen?
Was wir heute noch nicht wissen: Wie sehen die tatsächlichen Auswirkungen aus? Die 10-Prozent-Effizienzsteigerung etwa, die sind einzubringen. Da sind unsere Führungskräfte und alle gemeinsam gefordert, Prozesse zu analysieren, zu optimieren und gegebenenfalls auch Dinge abzuschaffen. Und wir müssen das Mindset der Mitarbeitenden verändern – im Hinblick auf agiles Arbeiten: Wir nutzen z. B. das Trelloboard als Organisations-Tool, da sieht jeder, was jeder geleistet und eingebracht hat. Das ist sehr viel transparenteres Arbeiten als bisher. Langfristig brauchen wir Mitarbeitende, die Selbstverantwortung tragen, leistungsbewusst sind, um seelisch gesund zu bleiben.
Ja, die seelische Gesundheit – sie ist heute mehr denn je ein Thema. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Die Rahmenbedingungen haben sich verändert, die Anforderungen sind massiv gestiegen, und wir haben eine andere Anzahl an zur Verfügung stehender Kräfte. Ich will gar nicht sagen, dass es schlechter geworden ist, eben nur anders. Ich bin kein Mensch, der sich auf dem Weg zur Sinngesellschaft mit einem vereinbarten Grundeinkommen befindet. Das heißt, ich glaube, das Thema Leistung ist weiterhin wichtig. Und bezogen auf die 4-Tage-Woche: Wir waren uns in unserem Projekt sehr schnell einig, dass die gleiche Arbeitszeit nicht auf vier Tage verteilt werden kann, denn dann wären wir ja fast bei 10 Stunden pro Tag, und das ohne Pause gerechnet. Das würde nicht zu einer Effizienz führen, sondern eher zur Steigerung der Krankheitstage. Unser Ansatz war: Viele Mitarbeitende bringen ihre Hauptarbeitsleistung von montags bis donnerstags und sind ab freitagmittags weg. Wir gehen mit unseren künftigen Rahmenbedingungen von deutlich mehr Effizienz bei mehr mentaler und auch körperlicher Gesundheit aus.
„Deutlich mehr Effizienz“ – wollen Sie das überprüfen?
Ja. Wir werden ab 1. September genau drauf schauen, wie sich das Arbeitspensum entwickelt. Und dann schauen wir, an welchen Stellen wir noch weitere Effizienz- bzw. automatisierte Prozesse ansetzen. Menschen verbringen im Durchschnitt derzeit 20 bis 30 Minuten mit dem Suchen von Information in Unternehmen, das zeigen Studien. Wir sind gerade dabei, ein regionales Chat GPT aufzusetzen, dort alle Web-Informationen, die die PSD-Bank zur Verfügung stellt, hineinzupacken und damit alle Kundenfragen sofort zu beantworten. Alle internen Anweisungen und Datenbanken sind dann ebenfalls auf einer Plattform mit Chat GPT vereint. Damit reduziert sich die Suche in den Systemen spürbar.
Über die positive Resonanz einer veränderten Arbeitswelt bei der jüngeren Generation haben wir schon gesprochen, wie hat die ältere Generation reagiert, die ja in einer anderen Arbeitswelt sozialisiert ist?
Unabhängig vom Alter gibt es bei jedem Change-Prozess diejenigen, die euphorisch sind für Veränderungen. Ein anderer Teil geht einfach mit, und dann gibt es auch immer die Gruppe, die dem Wandel kritisch gegenübersteht. Bei früheren Veränderungen haben wir aber festgestellt, dass die schärfsten Kritiker zu den größten Verfechtern geworden sind, zuletzt beim mobilen Arbeiten. Entscheidend ist am Ende immer das Erleben und die positiven Auswirkungen des Wandels. Wir werden das Thema Vier-Tage-Woche und Arbeitsumfeld in in einer großen internen Befragung im nächsten Jahr evaluieren. Unser Fokus liegt dabei auf Leistung und Gesundheit. Wir sind aber davon überzeugt, mit diesem durchaus mutigen Schritt in der Finanzdienstleistungsbranche – wir sind die dritte Bank Deutschlands in der Genossenschaftswelt, in unserer Region die erste – den richtigen Weg einzuschlagen.
Was meinen Sie, was hält das Gros der Finanzdienstleistungsbranche davon bisher ab?
Viele wollen die Kundenzentriertheit nicht verlieren. Wir glauben aber, dass die Finanzdienstleistungsbranche gerade in der Transformation eine Branche ist, in der die 4-Tage-Woche ohne Produktivitätsrückgang, ohne Verlust auf der Kundenqualitätsseite und ohne wirtschaftlichen Verlust der Stabilität umsetzbar ist. Es gab intern nur zwei Bereiche, die aus regulatorischen Gründen, ausgeschlossen sind, das Risikocontrolling und Geldwäsche, da muss eventuell auch am Freitag gehandelt werden. Dort werden wir Schichtdienst organisieren, einzig diese Kollegen haben an einem anderen Tag frei.
Sehen Sie in der 4-Tage-Woche auch ein Modell, langfristig den Unternehmenserfolg zu sichern?
Ja, genau das ist unsere Managementaufgabe. Das eine ist die die reine Ertragsseite, auf der anderen Seite gilt es aber für den Kunden auch Prozesse zu schaffen, die schnell sind und die Mitarbeitenden von zeitbelastenden Dingen zu befreien.
Am Anfang unseres Gesprächs habe ich Sie gebeten zurückzublicken, jetzt frage ich: Was ist, wenn Sie zwei bis fünf Jahre vorausblicken?
Wir brauchen noch viel stärker einen Kulturwandel, sowohl in unserem als auch in vielen Unternehmen. Dieser wird anstrengend, und man braucht vor allem eine veränderte Kommunikation mit flachen Hierarchien und dem gemeinsamen Auftrag, alle mitzunehmen. Ich darf dabei aber nicht als Arbeitgeber schnell austauschbar werden. In meinem Grundverständnis von Führung geht es auch darum, Menschen an das Unternehmen zu binden, wir brauchen diese regionale Bindung. Aber ganz offen und ehrlich: Wir haben auf unserem Weg bis heute auch schon Mitarbeitende verloren, das ist normal und beunruhigt uns nicht. Mittlerweile liegt das Durchschnittsalter unserer Beschäftigten bei der PSD-Bank in Braunschweig bei 43 Jahren. In zwei, drei Jahren werden wir vermutlich noch einen ganz anderen Wandel erleben.
An welche Formen des Wandels denken Sie da?
Wir planen den Braunschweiger Standort mit einem 350 Quadratmeter New-Work-Bereich auszustatten: mit Innovationslabor, Powerbereich, Powernapping etc. Des Weiteren haben wir in diesem Jahr schon eine Vollzeitstelle „Nachhaltigkeitsmanagerin“ geschaffen. Außerdem haben wir gerade im Aufsichtsrat entschieden, dass wir uns an einem Braunschweiger Startup beteiligen, das an der TU Braunschweig entstanden ist: Da geht es um das Thema Recycling von Photovoltaikanlagen – wo viele andere sich erstmal noch mit der Technologie an sich beschäftigen. Aber Photovoltaik gibt es seit 20 Jahren, jetzt kommen die ersten Platten zurück und müssen recycelt werden. Als Unternehmen sind wir meiner Meinung nach aufgefordert, immer in die Zukunft denken, frühzeitig Trends erkennen, schauen, was die Hochschulen und Universitäten an Forschung betreiben und sich an diesem Kreislauf eben auch als Investor beteiligen.
(Beitrag: Funke Mediengruppe)